Biber schlägt an einer Straße 100-mal zu

29.07.2016

In Neustadt (Dosse) musste eine Straße wegen Biberschäden gesperrt werden. Die Gemeinde fühlt sich machtlos im Kampf gegen Biber und Behörden. Das Land will für die Schäden nicht aufkommen. Inzwischen zweifelt sogar die grüne Ortsbürgermeisterin am Artenschutz.


Hier leistete der Biber ganze Arbeit: Die Straße zwischen Goldbeck und Sieversdorf musste nach 100 Biberattacken gesperrt werden. Sie droht an manchen Stellen einzustürzen.
Quelle: Alexander Beckmann

 

Neustadt/Dosse. Die Straße zwischen Goldbeck und Sieversdorf (Ostprignitz-Ruppin) gleicht einem Schweizer Käse. Auf einem Abschnitt von etwa 900 Metern haben Biber rund 100 mal zugeschlagen, Gräben und Höhlen gebaut, so dass die vor allem von Landwirten genutzte Straße teilweise abgesackt ist. „Wir mussten den Weg sperren, weil wir die Sicherheit nicht mehr gewährleisten konnten“, erklärt Sigrid Schumacher, ehrenamtliche Bürgermeisterin des Ortsteils Zernitz-Lohm. „Ich bin einfach nur sauer. Wir haben Anträge gestellt, Gutachten erstellt, beim Land um Hilfe gebeten – vergebens.“


Anwohner, Gemeindevertreter, Bauern – sie sind genervt und fühlen sich machtlos. Denn der Kampf gegen den Biber, der sich im Wassergraben neben der Straße eingenistet hat, geht schon seit Jahren. Inzwischen hat Schumacher Zweifel daran, ob der Schutz des Tieres nicht etwas übertrieben ist. Das ist bemerkenswert, denn Schumacher ist Mitglied der Grünen. „Ich will die Biber ja nicht gleich ausrotten“, sagt die Lokalpolitikerin. „Aber wenn es zu viele Wildschweine gibt, schießt man sie doch auch ab.“


Naturschutzbehörde empfiehlt Kapitulation vor dem Biber
Aber die Biberjagd ist nur in Ausnahmefällen möglich. Entsprechend lehnte die Untere Naturschutzbehörde den Antrag auf Abschuss ab. Erst müssten „Vergrämungsmaßnahmen“ geprüft werden, teilte sie mit. Doch beim Stichwort Vergrämung winkt der zuständige Bauamtsleiter vom Amt Neustadt, Wolfgang Burau, ab. „Das interessiert den Biber nicht. Der kehrt wieder.“

 

Bürgermeisterin Sigrid Schumacher (Grüne) verzweifelt am Biber.


Quelle: Björn Wagner
Das weiß man auch bei der Naturschutzbehörde, deren Schreiben an die Gemeinde sich eher wie eine Kapitulationsempfehlung liest. „Weder das Fangen noch Umsetzen von Bibern noch der Abschuss“ könne einen Beitrag zur Lösung des Problems beitragen, schreibt die Behörde. Deswegen solle der Biber bleiben dürfen, und stattdessen die Böschung der gesperrten Straße durch Gitter gegen weitere Angriffe geschützt werden. Immerhin: Hierfür gäbe es eine Kofinanzierung vom Land, wenn der zuständige Topf nicht schon leer wäre.


Auf den Straßenneubaukosten in Höhe von mehr als 200 000 Euro bliebe die Gemeinde komplett sitzen. Bürgermeisterin Schumacher findet das ungerecht. „Warum gilt hier nicht das Verursacherprinzip?“, fragt sie. „Wenn das Land den Biber schützen will, muss es auch für die Schäden aufkommen.“
Amtsmitarbeiter müssen täglich an die frische Luft – wegen der Biber


„Der Biber gehört ja keinem, er ist ein Wildtier“, kontert Jens-Uwe Schade, Sprecher des Umweltministeriums. Zahlen müsse der Baulastträger – in dem Fall die Gemeinde. Er räumt ein, dass die Biberverordnung nur einen engen Handlungsspielraum lasse. Doch Brandenburg setze damit geltendes Natur- und Artenschutzrecht um.


Immerhin: Durch die Biber kommen die Amtsmitarbeiter von Neustadt häufiger an die frische Luft: Täglich muss ein Kollege kontrollieren, ob die Tiere wieder zugeschlagen haben.
Von Torsten Gellner

 

 

 

 

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